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Die Splitter des Himmels

Die Welt bestand aus Glas. Nicht spröde und matt, sondern rein und klar, als wäre sie aus gefrorenem Licht geformt. Wälder aus kristallenen Bäumen warfen bunte Spiegelungen auf den Boden, wenn das Sonnenlicht durch ihre Äste brach. Flüsse glitten wie flüssige Spiegel dahin, und selbst die Wolken am Himmel wirkten wie zarte, schwebende Scherben.

Inmitten dieser Schönheit lebten die Glaswanderer, Menschen, die gelernt hatten, auf den schmalen Brücken zwischen den Welten aus Glas zu gehen. Sie kannten den Klang jedes Schrittes, wussten, wann ein Untergrund kurz vor dem Zerbrechen stand, und lauschten den Liedern der Risse, die wie Musik durch die Luft hallten.

Doch die Gläserne Welt hatte ein Geheimnis: Jeder Splitter, der sich aus dem Himmel löste und herabfiel, trug eine Erinnerung. Wer einen solchen Splitter aufhob, konnte durch ihn blicken und Bilder aus vergangenen Zeiten sehen – manchmal wundervoll, manchmal schmerzhaft.

Eines Tages fand ein junger Glaswanderer namens Kairon einen Splitter, der anders war als alle zuvor. Er war nicht durchsichtig, sondern schimmerte in einem tiefen, unruhigen Blau, als hätte er das Meer selbst verschluckt. Als Kairon hindurchsah, erkannte er nicht die Vergangenheit, sondern eine Zukunft, er sah, wie die Welt aus Glas in unzählige Stücke zerbrach und in die Dunkelheit stürzte.

Von diesem Tag an begann für Kairon eine Reise. Er musste herausfinden, ob die Vision wahr war oder ob er durch seinen Mut den Lauf der Dinge verändern konnte. Während er durch Wälder aus Splittern und über Brücken aus Licht wanderte, spürte er, dass in den Rissen der Welt nicht nur Zerfall lag, sondern vielleicht auch die Möglichkeit eines Neubeginns.

Und so wurde aus dem Träger des blauen Splitters der Erste, der den Mut fand, nicht nur die Brüche der Welt zu fürchten, sondern sie zu nutzen. Wo andere Risse sahen, entdeckte er Wege – und mit jedem Schritt verwandelte er die fragile Stille des Glases in eine neue Melodie.


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