„Die Hoffnung stirbt zuletzt.
Doch sie stirbt.“
Mitten in der Nacht wachte ich auf, wie ferngesteuert hatte sich dieser Gedanke in meinem Kopf eingenistet. Mein Herz stolperte, war schwer und schlug so schnell, dass es mir fast aus der Brust sprang.
Verloren blickte ich zur Decke, setzte mich aufrecht hin und starrte in leere, tote Augen.
Meine leeren, toten Augen.
Mein Kopf sagte mir, ich sollte mich wieder schlafen legen, doch auf meinen Kopf habe ich schon lange nicht mehr gehört, denn er sagte nur, was Andere wollen.
Mein Herz sagte mir, was ich will.
Nun lag ich da, eingesperrt in einem Gefängnis, in meinen weißen, schweren Bettlaken.
Doch leider hielten auch sie mich nicht auf.
Als ich dann leise meine Decke zur Seite schob, verbreitete sich eine seltsame, aber dennoch beruhigende Gänsehaut auf meinem Körper aus.
Ruhig stand ich auf und wie von allein schwebte ich, als sei ich ein Geist, der genau seinen Weg zu seinem Schloss wusste, zum Schreibtisch.
Jeder Schritt wurde schwerer und es fühlte sich so an, als wäre ich mit unsichtbaren Ketten, die sich an meinen Brustkorb eng klammerten und sich tief in meine Rippen schnitten, gefesselt.
Jeder Atemzug wurde zu einem Kampf.
Jedes Einatmen schmeckte nach kaltem Eisen.
Und jedes Ausatmen nach Rost und Staub.
Ich schnappte mir blitzschnell Papier und Stift, als würden sie, wenn ich zu langsam wäre, von mir wegrennen und probieren, mich aufzuhalten, meine Gefühle niederzuschreiben. Verzweifelt versuchte ich, meine zerwühlten Gedanken auf den Zettel zu bringen.
Mein Atmen? Schwer.
Mein Herz? Viel zu schwer, um überhaupt atmen zu können.
Tränen erkundeten ihren Pfad an meinen erhitzten Wangen hinunter, bis sie schließlich ihr Ziel erreicht hatten und es sich auf dem Schreibtisch gemütlich gemacht hatten.
Traurig lächelnd legte ich den Stift beiseite und befestigte zitternd den durchnässten Zettel an die Schranktür meines Freundes.
„Kennst du den Ort zwischen Schlafen und Wachen?
Der Ort, wo deine Träume noch bei dir sind?
Dort werde ich dich auf ewig lieben.
Dort werde ich auf dich warten.“
Durch das Fenster betrachtete ich den klaren Nachthimmel. Er sprach zu mir: „Komm her, Engel. Komm zur mir.“ Ich fühlte mich wie in einer winzigen Glasbox – so zerbrechlich und durchschaubar. Doch keiner konnte hinter meiner Fassade schauen, die ich jeden Tag, Ziegel für Ziegel, mit eigener Kraft, aufbaute. Mich so zu studieren, um zu wissen, dass ich eigentlich innerlich zerbrach, wurde jeden Tag schwerer und irgendwann unmöglich. Wie ich mein Herz, welches so schwer wie Blei ist, mit mir schleppte, wurde unerträglich.
Jeden verdammten Tag.
Jede verdammte Stunde.
Jede verdammte Minute und jede verdammte Sekunde.
Ich habe es satt. Leiden zu ertragen. Schmerzen zu verbergen. Und mit Tränen zu lachen…nur um andere zu zeigen, dass es mir „gut“ geht, um sie glücklich zu machen.
Als ein kühler Nachtwind mir die Hand reichte, blickte ich zu den funkelnden Sternen, welche mir einladend entgegenstrahlten. Heute waren sie frei, nur für mich. Und ich konnte mich für einen Moment frei fühlen, obwohl alles so unglaublich schwer war.
Diese Abschiedsworte befreiten mich. Denn auf einmal wirkte alles so fremd, und jedoch alles so vertraut. Meine Brust fühlte sich anders an – nicht mehr schwach, nicht mehr müde, obwohl ich heute nicht viel Schlaf hatte, sondern stark, lebendig, als hätte jemand einen Funken Feuer für mich gelegt.
Ich war bereit.
Bereit, dieses Leben hinter mir zu lassen. Für einen kurzen Moment war die Welt still, nur mein Herz erzählte mir eine Geschichte, dass ich bereit war.
Ich war bereit, zu gehen.