Maria geht an einem kalten Herbstabend zu einem kleinen Gemeindezentrum. Dort findet eine Gesprächsgruppe. Sie heißt „Unsere Geschichten“. Die Stühle stehen im Kreis, in der Mitte liegt nur eine brennende Kerze. Die Atmosphäre ist ruhig und ein bisschen traurig.
Maria setzt sich leise. Neben ihr sitzt ein älterer Mann mit müden Augen. Die Leiterin der Gruppe begrüßt alle freundlich und sagt: „Heute teilen wir unsere Erfahrungen. Wer möchte anfangen?“
Eine junge Frau namens Anna beginnt. „Früher war mein Leben schön“, sagt sie. „Ich hatte einen guten Job, viele Freunde. Aber dann verlor ich meine Arbeit, weil die Firma pleiteging. Langsam verschwand alles: meine Wohnung, meine Sicherheit, mein Lächeln.“ Anna schaut auf ihre Hände. „Es war nicht nur meine Schuld, vielleicht einfach Pech.“
Danach spricht der ältere Mann. „Ich war verheiratet und glücklich“, erzählt er mit leiser Stimme. „Wir reisten viel, wir planten eine Zukunft. Dann wurde meine Frau krank. Ich konnte nichts tun. Alles zerbrach – wie Glas.“
Maria hört zu und fühlt, wie sich ihre Brust zusammenzieht. Sie weiß, dass jetzt sie dran ist. Sie atmet tief ein. „Mein Leben war auch hell und klar“, beginnt sie. „Ich hatte Träume, eine Beziehung, eine Arbeit, die ich möchte. Aber ich machte Fehler, und andere machten Fehler bei mir. Ein Wort, ein Streit, ein Verlust – Stück für Stück fiel alles auseinander. Es war, als ob mein Leben auf einmal auf den Boden fiel und in tausend kleine Scherben zerbrach.“
In der Gruppe ist es still. Manche nicken, manche schauen Maria direkt an.
Eine weitere Frau, vielleicht Mitte fünfzig, spricht danach. „Ich wollte immer Künstler werden“, sagt sie leise. „Ich hatte ein Atelier, kleine Ausstellungen. Doch dann kam ein Unfall, ich konnte nicht mehr malen. Alles, was ich aufgebaut hatte, ging verloren.“
Die Geschichten klingen unterschiedlich, aber sie haben etwas Gemeinsames: Am Anfang war Hoffnung, Freude, Liebe. Danach kamen Fehler, Krankheit, Verlust oder einfach Zufall. Und am Ende blieb ein Gefühl von Leere.
Maria hört zu, bis alle gesprochene haben. Sie fühlt sich gleichzeitig traurig und erleichtert. Traurig, weil so viel Schmerz im Raum ist. Erleichtert, weil sie nicht allein ist.
Als die Kerze in der Mitte langsam kleiner wird, denkt Maria: „Alles, auch das Schönste, endet irgendwann. Vielleicht ist das einfach das Leben. Aber vielleicht kann man trotzdem etwas Neues anfangen – auch aus Schreiben kann man Mosaike machen.“
Mit diesem Gedanken verlässt sie am Ende den Raum. Die Nacht draußen ist kühl, aber der Himmel klar.