Lichter…blitzend blau. Alles ist verschwommen. Mein Kopf dröhnt. Ich kann fühlen, wie das Blut entlang meiner Wange runterfließt. „Beeilung!“, das einzige Wort, welches ich zwischen dem Heulen der Sirenen auffassen kann. Zwei Männer in roter Kleidung heben mich auf eine Trage und schieben mich in einen Rettungswagen. Ich kann die besorgten Blicke meiner Eltern erkennen, bevor meine Gedanken verblassen.
Ein Piepen, welches mit jeder Sekunde lauter wird. Ich öffne meine Augen und realisiere, dass ich mich in einem Zimmer eines Krankenhauses befinde. In diesem Moment öffnet sich die Tür und eine Krankenschwester betritt den Raum. Als sie mich sieht, dreht sie sich aber sofort wieder um und stürm zur Tür hinaus. Ich bin etwas verwundert, doch ich werde von einem großen Spiegel, der an der Wand links von mir befestigt ist, abgelenkt. Schritt für Schritt nähere ich mich meinem Spiegelbild. Die Tür öffnet sich erneut. Diesmal aber laufen zwei Erwachsene auf mich zu. „Du bist endlich wach!“ Wach? Alles hier fühlt sich an, als wäre ich in einem Traum gefangen. Hinter den zwei Unbekannten steht ein Mann in weißem Kittel, ein Arzt. Dieser kommt auf mich zu und stellt mir eine Frage: „Weißt du wie du heißt, oder was passiert ist?“ Ich weiß, dass ich meinen Namen kenne – irgendwo tief in mir. Doch mein Kopf bleibt leer, als hätte jemand alle Antworten gelöscht. Als wäre er aus Glas – durchsichtig, leer, kein Inhalt. Das Einzige, wozu mein Gehirn fähig ist, ist ein leichtes Kopfschütteln. Ich spüre, wie sich die Stimmung im Raum verändert. Die Mundwinkel der beiden Erwachsenen sinken, während der Arzt hingegen nur etwas auf ein Blatt Papier kritzelt. Ich drehe mich wieder nach links und betrachte mich im Spiegel. Mein Gesicht ist übersäht von tiefen Wunden und Nähten. Fragen häufen sich in meinem Kopf. Ich bin wie in meiner eigenen Glaskuppel gefangen. Ich habe keine Ahnung, wer ich bin oder aus welchem Grund ich in einem Krankenhaus gelandet bin. Ich war bereit den Arzt zu fragen, was passiert war, doch der Raum war leer. Also setze ich mich zurück in das Krankenbett und versuche mich an die vorherigen Geschehnisse zu erinnern. In Gedanken versunken fallen mir die Augen zu.
Es vergehen Stunden. Ich wache ruckartig mitten in der Nacht auf. Schweißgebadet und voller Angst. Ein Albtraum, doch ich merke schnell, dass dies die Realität gewesen war. Der Unfall! Plötzlich kann mich ich mich an jedes kleine Detail erinnern. Ich habe Angst, alles wieder zu vergessen also entscheide ich mich dazu, die Erinnerungen aufzuschreiben.
Die zwei Personen von vorhin sind meine Eltern. Sie haben wahrscheinlich Stunden vor dieser Tür verbracht, bis ich endlich wach wurde. Aber nun zum Geschehnis. Es war ein regnerischer Nachmittag, als alles seinen Lauf nahm. Eine meiner engsten Freundinnen und ich waren auf dem Heimweg, als wir Aufgrund eines Jungen in einen heftigen Streit gerieten, während wir durch das Treppenhaus gingen. Sie wurde so wütend, dass sie mich mit all ihrer Kraft gegen eine der brüchigen und bereits abgesperrten Fensterscheiben stieß. Das Fenster zersprang in tausende Scherben und Glassplitter, welche mir tiefe Wunden im Gesicht und an den Armen verpassten, während ich von drei Meter Höhe in die Tiefe stürzte. Ich prallte auf den Asphalt und verlor mein Bewusstsein. Als dieses wieder zurückkam, lag ich noch immer auf dem nassen Untergrund mitten im Regen, doch die Rettungskräfte waren schon vor Ort.
Drei Wochen vergingen und ich bin noch immer in einer Glaskuppel meiner eigenen Gedanken gefangen. Ich frage mich immer und immer wieder, warum sie mich gegen dieses Fenster schubste. War es ihre Absicht? Wusste sie, dass die Scheibe zerspringen wird? Oder plagt sie doch ein schlechtes Gewissen? Vielleicht werde ich nie wissen, ob es ein Unfall war, doch ich werde es nie vergessen. Das Fenster war zerbrochen, doch ich war es, die in Scherben lag.