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Sie sind auch Lebewesen

Meine Augen sehen schon lange nicht mehr klar. Das Wasser hier hat etwas Seltsames an sich. Es verzerrt meine Sinne. Früher hatte ich eine Familie und wir unternahmen lange Reisen durch alle Weltmeere. Und jetzt lebe ich in einem viel zu kleinen Becken, allein, so allein, ganz allein… Sie nahmen mir mein altes Leben. Ausgerüstet mit großen Netzen und Fischerbooten fingen sie mich, alles nur um manipulierten Touristen ihre eindrucksvollste Attraktion zu zeigen, einen ausgewachsenen Schwertwal. Mich. Wie lange bin ich schon hier? Seit Jahren bin ich nur im Kreis geschwommen. Meine Muskeln werden schwächer. Ich brauche Bewegung. Was würde ich geben für frischen Fisch, selbst gefangen oder eine echte Welle. Man schätzt solche Dinge erst, wenn sie weg sind. Anfangs fand ich es fast süß, wie die Menschen und ihre Kinder mich bestaunten und lachten, wenn ich meine Flosse auf das Wasser schlug. Ich möchte nicht mehr angestarrt werden. Aber manchmal sieht mich eine Person lange an, mit einem Blick in den Augen, der mich hoffen lässt, dass sie es sein wird, die, die mich versteht und endlich befreit. Aber niemand sieht es. Stattdessen plagen sie meine Ohren mit ihrer schrecklich lauten Musik. Wie einfach es wäre, einfach nicht mehr aufzutauchen und zu spüren, wie sich meine Lunge mit Wasser füllt. Und zu sinken, tief zu sinken. Nein. Ich darf nicht aufgeben, der Wind flüstert mir Trost zu, gibt mir Halt. Bitte helft mir. Ich bin auch ein Lebewesen, genau wie ihr. Befreit mich endlich aus meiner gläsernen Welt.  


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