Bevor ich richtig aufwache, greife ich zu meinem Handy. Das passiert unterbewusst einfach so, ich nehme es ihn die Hand und entsperre es. Ohne viel darüber nachzudenken, gehe ich auf TikTok und scrolle durch meine For You Page. Langsam ziehe ich mich an, während ich noch immer Videos von irgendwelchen dünnen Frauen beim Sport anschaue. Ich schaue in den Spiegel und vergleiche mich, ich vergleiche mich mit all den Videos, Fotos und Beiträgen, die ich täglich sehe. Jedes Mal, wenn ich mich betrachte, kommen mir meine Beine dicker, mein Bauch größer und mein Gesicht unreiner vor. Ich ziehe mich an und stecke mir meine Air Pods in die Ohren, mit denen ich mich täglich aus der Realität wegzubeamen versuche. Ich habe überhaupt das Gefühl ich lebe mein Leben nicht, sondern überlebe es nur. Mein Leben dreht sich im Kreis, es ist ein Kreislauf, der sich täglich wiederholt und den ich selbst nicht ändern kann, weil ich keine Kontrolle darüber habe. Ich habe das Gefühl ich lebe ein Leben das von jemand anderem bestimmt wird. Ich gehe mir meine Zähne putzen und mein Gesicht waschen, krame mir die wichtigsten Schulsachen zusammen und verlasse dann so schnell wie möglich das Haus. Das Frühstück lasse ich meistens ausfallen weil ich mir einrede, so viel Stress zu haben. Ich laufe zum Bus und binde mir gleichzeitig meine Haare zusammen. Im Bus versuche ich so wenig wie möglich aufzufallen und schaue daher auf mein Handy. Wieder sehe ich nur sportliche, den Schönheitsidealen entsprechende Frauen, die ein scheinbar perfektes Leben führen. Wie jeden Tag ärgere ich mich über mich selbst wenn ich das sehe. Ich sollte mehr Sport machen denke ich, ich sollte mich gesünder ernähren denke ich und dann betrete ich die Klasse und setze mich in die letzte Reihe, noch immer habe ich meine Air Pods in meinen Ohren. In der Schule habe ich eine Maske, ich lächle und rede selbstbewusst, während niemand bemerkt, wie schwer es mir fällt so zu tun als wäre alles in bester Ordnung. Sogar in der Schule schreiben wir am Laptop und benutzen das Handy. Bei der Nachhause Fahrt scrolle ich wieder und wieder, in meinem Kopf höre ich meine Mutter schon über meine Handyzeit schimpfen und muss bei dem Gedanken den Kopf schütteln, ich gebe ihr bei der Sache ja Recht, aber es ist unmöglich in unserer Generation ohne Handy auszukommen. Es ist ein Großteil der Leben aller Teenager und es hat natürlich auch gute Seiten, man vergisst aber oft wie bloß man sich selbst stellen kann, wie leicht man andere verletzen kann und wie sehr man sich selbst hassen kann wegen des ständigen Vergleichs. Aber es ist nicht mehr wegzudenken. Man kann die Entwicklung der Technik nicht stoppen oder gar rückgängig machen. Das geht nicht. Ich gehe nach Hause und lege mich in mein Bett. Das Erste, was ich mache, ist auf mein Handy zu schauen. Ich scrolle und scrolle bis es draußen dunkel ist. Ich stelle mir einen Wecker und starre auf den Bildschirm, der mich wie ein Spiegel begleitet, und frage mich ob ich jemals wieder ich selbst sein kann. Dann schalte ich das Handy aus. Für einen Moment ist es ganz still. Vielleicht beginnt meine Geschichte genau hier, oder ich fühle mich für immer so durchsichtig, so gläsern.