Ich gehe abends durch die Straßen. Bin dabei völlig auf mich gestellt und ohne jegliche Ablenkung. Und doch gehe ich nicht allein. Überall Augen, gut versteckt hinter Schaufenstern, im Smartphone oder an Hauskanten. Diese Augen blinzeln nicht, sie schlafen nicht und sie kennen keine Müdigkeit. Sie überwachen, speichern und sammeln.
Meine Uhr an meinem Handgelenk vibriert und sofort werfe ich einen Blick auf das Display. Fast noch in derselben Sekunde bewegt sich meine Hand Richtung Hosentasche und ich ziehe mein Handy heraus. Es ist ein ständiger Begleiter. Klüger als jedes Lehrbuch und wertvoller als ein Tagebuch. Wir nennen es „Fortschritt“ oder „Neuste Technologien“, wenn unsere Handykameras automatisch Gesichter erkennen oder wenn wir mit wenigen Swipes bezahlen können. Doch jede Aktivität hinterlässt Spuren. Spuren, die von den versteckten Augen überwacht und in Erinnerung gehalten werden. Spuren, die an ein Händchen, versteckt im Dunklen, weitergeleitet werden.
Ich sehe in ein Schaufenster und mein Spiegelbild starrt zurück. Kalt und ausdruckslos. Aufgrund der vielen Spiegelungen nehme ich mich zigmal wahr und frage mich, ob es in der digitalen Welt vielleicht schon einen „Klon“ von mir gibt. Vielleicht hat das versteckte Händchen, mit all den Informationen schon eine zweite, digitale Version von mir erschaffen. Was, wenn es ganz genau weiß, in welche Straße ich gleich abbiegen werde, welchen Song ich mir als nächstes anhören werde oder welche Freunde sich demnächst in meiner Nähe rumtreiben werden?
Hinter all dem Glas, welches die versteckten Augen vor Schmutz und Staubeinfall schütz, ist die Welt um einiges kälter. Um einiges genauer und vielleicht um einiges grausamer. Nun stellt sich die Frage, was würde passieren wen all das Glas vor den versteckten Augen bricht und wir die Gläserne Welt zu Gesicht bekommen?