Ich wache auf, bevor das Licht angeht.
Nicht, weil ich will – weil das System weiß, wann ich wach sein sollte.
Das Glas über meinem Bett wird durchsichtig, zeigt mir mein Gesicht, gemessen in Zahlen:
Schlafqualität 83 %, Emotion: neutral.
Draußen glitzert die Stadt wie ein Aquarium. Millionen Menschen schwimmen darin, jeder in seiner gläsernen Blase. Wir sehen einander, aber niemand berührt das Wasser. Zu riskant. Zu ehrlich.
Ich öffne meine Timeline. Sie begrüßt mich mit Lächeln, Erfolgen, Frühstücken.
Alles klar, alles perfekt.
Ich poste auch etwas – ein Foto von meinem Gesicht, leicht gefiltert.
„Guten Morgen“, schreibe ich.
Und warte auf das Echo.
Doch manchmal, wenn der Nebel sich auf die Glasfassaden legt,
wenn die Spiegelbilder verschwimmen,
sehe ich mich selbst darin – ungeschützt, ungemessen, echt.
Dann begreife ich:
Wir haben so sehr gelernt, sichtbar zu sein,
dass wir verlernt haben, uns selbst zu sehen.
Ein Vogel fliegt gegen die Fensterscheibe meines Zimmers.
Ein dumpfer Schlag, dann Stille.
Ich sehe den Abdruck seiner Flügel auf dem Glas –
ein Schatten, ein Versuch, hindurchzukommen.
Vielleicht sind wir alle dieser Vogel,
im Glauben, der Himmel sei offen,
während wir längst
gegen Wände aus Licht fliegen.