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Scherbenlicht

Muhamed Hozic

Die Mauern sind durchsichtig.  

Klarheit.

Licht.

Doch das Glas ist kein Versprechen,

es ist ein Messer,

sanft geschliffen,

unsichtbar im Griff.

 

Wir stehen in Hallen,

aus Spiegeln,

und jeder Schritt ist Echo,

jede Geste ein Abdruck,

auf der Fläche des Anderen.

 

Nichts bleibt:

kein Schatten,

kein Geheimnis,

kein Atem ohne Abdruck.

 

Glas trägt zwei Gesichter:

Es lässt uns sehen,

und es lässt uns zerbrechen.

 

Das Sprichwort fällt,

wie ein Kiesel ins Schweigen,

zieht Kreise,

reißt die Oberfläche auf.

Wir alle im Glashaus,

die Taschen voll Steine,

die Finger unruhig,

die Augen wachsam.

 

Ein Wurf –

und die Welt zerspringt.

Kein Schutz mehr,

nur Splitter,

die schärfer sind als Wahrheit.

 

Doch vielleicht,

in den Rissen,

wo das Glas stumpf wird,

wo das Licht bricht

und sich nicht mehr ordnet,

liegt das, was fehlt:

Tiefe.

Schwärze.

Ein Raum, der atmet.

 

Denn, was ist Mensch

ohne Dunkel?

Was ist Wahrheit

ohne Verschweigen?

Was ist Glas

ohne die Hand,

die es loslässt?

 

Die gläserne Welt

ist schön.

Sie ist grausam.

Sie ist unser Spiegel.

Und wir –

wir sind die Scherben,

die noch nicht gefallen sind.


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