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Salzsäule

Gabriel Schandor

Ich durchsuche die Regale.  

Auf der Suche nach der Lösung.

Die weißen Tabletten.

Ibuprofen.

Der Stoff der mich töten kann.

Ich kann nicht mehr. In einem Körper leben zu müssen, der nicht meinem Inneren entspricht, macht mich kaputt. Jeden Morgen in den Spiegel zu schauen und zu wissen, das, was ich sehe, werde ich niemals ändern können. Bei jeder Dusche mich zu überwinden mich nicht zu ertränken. Nicht einmal Gewand kaufen gehen ist einfach. Für die meisten Menschen sind diese Dinge normal und alltäglich.

Nicht für mich.

Das Gefühl nicht zu wissen, ob es jemals aufhört weh zu tun. Nicht zu wissen, ob ich jemanden finden werde, der mich akzeptiert und liebt so wie ich bin. Wird Liebe oder Sex für jemanden wie mich möglich sein? Werde ich jemals das Gefühl los, falsch zu sein?

Ich möchte mir die Haut vom Leib reißen und meine Innereien rausholen. Ich will mich in meine Einzelteile auflösen und neu zusammenbauen.

Und so suche ich die Lösung. Vielleicht ist sterben der einzige Ausweg. Den Menschen umzubringen, der ich nicht bin. Loszulassen und neu zu beginnen in einer anderen Welt.

Nein. Es sollte nicht die Lösung sein.

Und doch fühlt es sich so richtig an. So befreiend. Fast schon friedlich. Es ist ein Tagtäglicher Kampf mit mir selbst und ich glaube ich verliere ihn. Was wenn ich komplett zerbreche? Wenn diese weiße Pille wirklich der letzte Weg ist? Wer wird mich retten? Wird man mich vermissen?

Fragen über Fragen. Doch wer hat die Antwort? Gibt es überhaupt eine?

Ich stehe auf einer Säule, ganz aus Salz. Inmitten eines unendlichen Meeres. Mit jedem Wellenschlag wird ein Stück meiner Säule abgetragen. Weit und breit keine Rettung in Sicht. Ich bin allein. Die Sonne verschwindet hinter dem Horizont und es wird kalt. Mir bleibt nichts anderes übrig als mich verzweifelt an die Salzsäule zu klammern. Mein einziger Halt. Der Wellengang wird stärker, die Wellen höher, die Säule immer instabiler. Ich schmecke das Salz in meinem Mund. Will mich denn niemand holen? Und wieder fällt ein großes Stück Salz ins Meer und geht unter. Meine Finger krallen in das weiß. Ich habe Angst. Ich will nicht sterben. Doch das Rufen um Hilfe habe ich bereits aufgegeben.

Vielleicht sollte ich mein Schicksal einfach akzeptieren und mich vom Meer verschlingen lassen. Das dunkle Wasser unter mir ruft mir zu. Ich soll kommen. Es ist so schön. So eisig und wütend und doch fühlt es sich an wie zuhause. Ich will nach Hause. Ich löse meine Hände aus dem Salz. Vielleicht geht es mir dort unten besser. In den unendlichen Tiefen der Dunkelheit. Vielleicht löst es den Schmerz in mir.

Soll ich es riskieren nicht weiterzukämpfen?


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