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Meine

Sonja Dorfer

Alles.

Wie kann in einem einzigen Glas meine ganze Welt reinpassen? Da drinnen befinden sich keine Bäume, keine Berge, keine Wüsten und keine Ozeane. Und trotzdem ist in diesem Glas meine ganze Welt drinnen. Alles. Alles ist drinnen. Alles was ich jemals hatte. Alles ist dort drinnen für mich. Alles für mich, nicht für dich oder sie oder ihm oder ihnen. Sondern für mich. Mich allein.

Wieso.

Wenn ich das Leuten erzähle, kneifen sie ihre Augen zusammen und starren eindringlich und fokussiert auf das Glass, als ob sie erwarten würden das eine kleine Erde drinnen wäre. Was? Hä? Aha? Wie? Solche Wörter kommen dann immer von ihren dummen Mündern. Ich probiere es dann gar nicht zu erklären. Wieso sollte ich? Wieso? Es ist meine Welt, nicht deine, nicht ihre, nicht seine und nicht eure.

Überleben.

Meine Welt steht auf meinem Nachtkasterl, neben meiner Lampe. Sie steht immer neben mir beim einschlafen und wenn ich aufwache. Immer. Wirklich immer? Fragen die Leute. Ja, immer. Wie soll ich denn ohne die Welt überleben? Wie sollst du denn ohne die Welt überleben? Wie soll irgendwer ohne die Welt überleben? Kann ich ohne meine Welt überleben?

Oder.

Irgendwie glaube ich das meine Welt anders aussieht als von anderen. Deren ist nicht in einem Glas, zuhause auf dem Nachtkasterl. Oder? Wieso würden sie sonst so irritiert dreinschauen wenn ich ihnen von meiner Welt erzähle? Oder sie nehmen meine Hand und schauen ganz traurig drein. Oder sie probieren Therapeut zu spielen und nicken immer und immer wieder. Meine Welt ist nicht wie eure Welt, definitiv nicht. Oder?

Asche.

Irgendwann steckt jeder seine Welt in ein Glas. Irgendwann wird von jedem deren Welt auf dem Nachtkasterl stehen. Schon komisch. Wenn in das Glas schaue, sehe ich keine graue Asche. Asche. Asche? Nein. Ich sehe die Person die einst neben mir gelegen ist. Asche? Das ist doch keine Asche, guck doch genau hin! Das ist meine Welt da drinnen, aber wie würdest du das auch verstehen? Schließlich ist es meine Welt. Nicht deine, nicht ihre, nicht seine und nicht eure. Meine.

Doch manchmal nenn ich meine Welt gar nicht Welt, sondern bei ihrem richtigen Namen, den sie einst trug.


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