Ich hasse Nachtbusse. Allein zu sein, doch das Gefühl zu haben beobachtet zu werden. Angekommen an meiner Haltestelle, freue ich mich auf mein warmes Haus, denn die kalte Februarnacht bringt mich zum Zittern. Plötzlich taucht ein weiterer Schatten im Licht der Straßenlaterne auf. Es legt sich eine Hand auf meinen Mund und der Geruch von Leder dringt mir in die Nase. Ich werde ich ein Auto gezerrt, wo mir ein Getränk gereicht wird. Zögernd koste ich. Es schmeckt süß, mit einem chemischen Nachgeschmack, der mir bewusst macht, dass es ein Fehler war die dunkle Flüssigkeit zu trinken. Schnell wird mir schwindelig, dann ist mir schwarz vor Augen.
Als ich aufwache, hoffe ich, dass das alles nur ein Albtraum war, doch schnell realisiere ich, dass das grelle Licht, das mich blendet, nicht aus meinem Zimmer stammt. Ich stelle fest, dass ich auf einem klapprigen Bett liege und einen grauen Overall trage. Dann schaue ich mich um und sehe eine Kuppel aus Glas um mich herum. Sie ist circa 9m² groß und außer einem Bett, einem Kasten, einer Zahnbürste und einem Spiegel gibt es nichts. Alles ist so farblos, dass ich mein buntes Zimmer und meine Eltern noch mehr vermisse.
In der großen Halle sind noch weitere gläserne Kuppeln, in denen sich andere Personen befinden. Aus der neben mir, lächelt mich ein alter Mann müde an, was mich beruhigt, trotz meiner Gefangenschaft. Es fühlt sich gut an zu wissen, dass man doch nicht komplett allein ist. Doch als meine Kommunikationsversuche scheitern, überrollt mich doch die Panik und mein Kopf schwirrt vor Gedanken.
Eine Stimme lässt mich erschreckt zusammenfahren. Der Mann drückt mir ein Tablett mit ungenießbar aussehendem Essen in die Hand. Als ich gerade zwei Bisse machen konnte, steht er wieder in meiner Kuppel und befielt mir ihm zu folgen. Es fühlt sich gut an, mal etwas anderes zu sehen, denn in meinem eintönigen Zimmer wäre ich bald durchgedreht. Wir gehen zu einem kleinen Waschraum, in dem nur ein Waschbecken, eine Toilette sowie eine Dusche zu sehen ist. „Einmal am Tag duschen und zwei Mal täglich Toilette benutzen!“, erklärt er knapp.
Am nächsten Morgen weckt mich ein lautes Klingeln. Dann wird mir ein geschmackloser Brei gebracht und ich werde in das Badezimmer geführt. Die restliche Zeit versuche ich mit Sport oder ausgedachten Geschichten totzuschlagen. Jeder Tag sieht gleich aus und alle in den Glaskuppeln leben langsam vor sich hin, wie in einer gläsernen Welt. So vergehen Tage, Wochen, Monate und schließlich auch ein ganzes Jahr immer mit der gleichen Routine.
Eines Morgens weckt mich, wie immer der Alarm, doch dann steht der Mann plötzlich in meinem Raum und befielt mir zu folgen. Wir gehen an leeren Kuppeln vorbei, in eine weitere Halle. Hier kann ich andere Gefangene erkennen, alle wirken sehr unsicher. Dann höre ich eine Stimme aus einem Lautsprecher ertönen: „Das war ein Experiment. Es sollte beweisen, dass man auch mit wenig im Leben zurechtkommen kann. Sie sind entlassen und können wieder zu Ihren Familien oder Sie entscheiden sich zu dem Alltag der letzten 487 Tage zurückkehren!“
Wütend, fassungslos und überfordert steige ich in das Auto, das mich zu meiner Familie bringen soll. Doch als ich sie endlich wieder in meine Arme schließen kann, sind alle negativen Gedanken wie weggeblasen. Nichts habe ich mir in dem letzten Jahr mehr gewünscht, als meine Familie wieder zu sehen. Allerdings bereitet mir die laute, bunte Außenwelt bald Kopfschmerzen. Nach nur einer Woche sehne ich mich nach der Ruhe in meiner Kuppel. Ich versuche diese Gedanken zu verdrängen, doch mit der Zeit verstärkt sich der Drang in die Kuppel zurückzukehren. Schließlich verabschiede ich mich. Vielleicht für immer, vielleicht aber auch nur für ein paar Tage. Doch sobald ich wieder in meiner Kuppel bin, die ich 487 Tage mein Zuhause nennen musste, weiß ich, dass ich nicht so schnell zurückkehren werde.