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Mein größter Feind

Ich war allein: niemand, dem ich in die Augen blicken konnte. Nur mir selbst. Ich stand in diesem Raum, mein Blick wandte sich die ganze Zeit hin und her, doch das Einzige, das ich sah, war ich. In jeder Ecke, oben, unten, links und rechts. Der ganze Raum war gefüllt von Spiegeln, gläsernen Spiegeln, gefüllt von der Reflektion meiner selbst. Ich war mir nicht bewusst, wo ich war oder wie ich hierher kam, aber ich wusste ganz genau, dass ich hier nicht sein wollte. Der Anblick in den Spiegeln gefiel mir nicht. Nichts in diesem Raum gefiel mir, vielleicht auch weil das Einzige, was ich hier sah, ich war. Mein ganzer Körper zitterte, meine Hände waren schwach und mein Kopf leer. Das einzige Gefühl in mir war Hass, Hass auf mich selbst. Ich legte mich vorsichtig auf die Spiegel, um sie nicht zu zerschmettern, dann blickte ich an die Decke des Raumes. Schon wieder: nur ich. Langsam spürte ich wie mir die Tränen an meiner linken Wange hinunter rannten und sanft auf mein Ohr tropften. Ich schloss meine Augen, um mich zu beruhigen jedoch hörte es nicht auf. Ich mochte es nicht zu weinen, es gab mir ein Gefühl von Schwäche und Einsamkeit. Ich bevorzugte alles aufzustauen und irgendwann zu platzen. Wie ein Staudamm, jeder Ast eine Sorge und irgendwann kommt eine starke Welle, die alles mit sich reißt. Mein Magen krampfte zuerst zusammen, ein paar Minuten später mein ganzer Körper. Ich fühlte mich wie gelähmt und versuchte weiterhin meine Augen geschlossen zu halten, um meinen Anblick zu vermeiden. Das Glas war ungemütlich, es fühlte sich an, als würde ich mich nackt auf einem zugefrorenen Teich im tiefsten Winter niederlassen. Kalt und leer. Aus meiner Trauer wurde langsam Wut. Ich versuchte wieder auf die Beine zu kommen, um einen Ausweg zu finden. Doch der Hass überkam mich. Ich hatte keine Kontrolle mehr. Ich ballte meine Hand zu einer Faust und schlug kräftig auf die Spiegel ein, meine Knöchel waren blutig und meine Gelenke schmerzten. Mein Selbsthass war zu groß. Alle Spiegel zerbrachen und gleichzeitig zerbrach auch ich selbst.

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