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Prinzessin in der gläsernen Welt

Es war einmal eine Prinzessin, die ein sorgenloses Leben führte. Sie lebte in einem Schloss mit prunkvollen Gärten, rund um das Traumszenario eines jeden Mädchens. Die Prinzen lagen ihr zu Füßen und das Volk war ihr treu untergeben. 

Es sollte ein Morgen wie jeder andere sein, doch als sie aufwachte, fühlte sie sich anders. Irgendetwas stimmte nicht, sie spürte eine Schwere, wie sie sie noch nie gefühlt hatte. Als sie aufstand und in den Spiegel blickte, erschrak sie. Ihr blickte eine fahlere und müder aussehende Version ihrer selbst entgegen. Aus Scham über ihr Aussehen versuchte sie, ihr Gesicht hinter einem ihrer Mäntel zu verstecken.Sie beschloss, einen Ausritt in den an das Königreich grenzenden Wald zu machen, um ihren Kopf frei zu bekommen. Mit ihrem anmutigen Rappen Blacky ritt sie immer tiefer in den dunklen Wald. Da vernahm sie plötzlich einen lauten Knall. Ihr Pferd scheute und sie fiel im hohen Bogen in den Matsch.Kurz nachdem sie sich wieder erholt hatte, schaute sie auf und blickte in tiefgrüne Augen. Ein Gefühl von Geborgenheit überkam sie. Das Gesicht, zu dem diese Augen gehörten, wurde nun schärfer. Sie sah in das Antlitz eines wunderschönen Prinzen, und als sich sogleich sein Mund öffnete und er sich erkundigte, ob bei ihr alles in Ordnung sei, verschlug es ihr die Sprache.Als sie genauer hinsah, erkannte sie den gefürchteten Prinzen des feindlichen Königreichs – das der gläsernen Welt. Noch immer etwas benommen, versuchte sie auf ihre Füße zu gelangen, doch diese gaben unter ihr nach. Sie kniff die Augen zusammen in der Erwartung, auf den harten Boden zu fallen, doch dazu kam es nicht. Stattdessen spürte sie die starken Arme des Prinzen um ihre Mitte.Als sie die Augen öffnete, sah sie, wie der Prinz sie musterte. Sie riss ihren Blick von seinen stürmischen Augen los und versuchte erneut, auf die Beine zu kommen. Dieses Mal klappte es, und sie nahm ihre Umgebung genauer in Augenschein.Da hörte sie plötzlich die Stimme des Prinzen, Adrian von der gläsernen Welt, hinter sich: „Entschuldigen Sie, My Lady, meine Jagdaktivitäten scheinen Ihr Ross erschreckt zu haben.“ Seine Stimme ließ sie innehalten, und sie fragte sich, ob sie ihn jemals zuvor hatte sprechen hören. Obwohl seine Stimme ein Gefühl von Wohligkeit vermittelte, konnte sie nicht glauben, dass sie ihn kannte.Schon als sie noch ein kleines Mädchen war, hatte ihr verstorbener Vater Felix sie stets davor gewarnt, mit der Bevölkerung der gläsernen Welt zu sprechen. Er hatte sie gelehrt, dass diese Menschen unzivilisierte Affen seien. Sofort wusste sie, dass sie von diesem Augenschmaus von Prinzen Abstand nehmen musste, auch wenn sich das alles andere als richtig anfühlte.Als sie erneut seine Stimme hinter sich hörte, versuchte sie sich nichts anmerken zu lassen, welche Wirkung sie auf sie hatte. „Sie gedenken doch wohl nicht, den weiten Weg zurück zu Ihrem Königreich zu Fuß zu bestreiten?“Dieser Satz weckte in ihr einen gewissen Unmut. „Glauben Sie ernsthaft, ich wäre nur ein hilfloses kleines Mädchen? Denken Sie, nur weil ich Isabella von Räber bin, schön und gebildet, dass ich es nicht schaffen würde, nach Hause zu kommen, ohne Ihre Hilfe?“ erwiderte sie und stapfte los in den dunklen Wald. Sie hörte den Prinzen noch etwas hinterherrufen, doch sie dachte nicht im Entferntesten daran, sich umzudrehen. Wild entschlossen stapfte sie durch den immer dunkler werdenden Wald. Nach einer gefühlten Ewigkeit hielt die Prinzessin an, um sich kurz auszuruhen, als sie plötzlich ein Knacken hinter sich hörte und erschrocken auffuhr.„Wer ist da!“, rief sie in den dunklen Wald. Plötzlich sah sie einen Schatten hinter einem Baum und rannte los. Doch wie es das Schicksal wollte, stolperte sie über einen abgestorbenen Baum und fiel schmerzhaft auf den Boden. Sie zischte auf und hielt reflexartig ihren rechten Knöchel. Tränen traten ihr in die Augen, und sie schloss erschöpft die Lider.Sie zitterte vor Kälte, doch plötzlich nahm sie eine angenehme, vertraute Wärme wahr. Als sie die Augen aufschlug, sah sie den Prinzen besorgt neben ihr knien. „Sie dachten doch nicht, dass ich Sie alleine im Wald zurücklasse, My Lady?“, sprach er leise.

Die Prinzessin wollte gerade etwas erwidern, doch der Prinz stoppte sie und nahm sie behutsam auf den Arm. Eigentlich wollte sich die Prinzessin wehren, doch die wohlige Wärme, die sein Körper ausstrahlte, ließ sie sich näher an ihn kuscheln. Sie merkte nur noch, wie er mit ihr auf sein Pferd stieg und losritt – und dann versank sie in einen tiefen Schlaf.

Am nächsten Morgen wurde die Prinzessin durch Sonnenstrahlen, die ihr Gesicht kitzelten, geweckt und erwachte in einem unbekannten Gemach. Sie wollte sich gerade umdrehen, als sie einen warmen Körper spürte, der sie fest umschlungen hielt. Als sie dem Unbekannten ins Gesicht sah, erkannte sie, dass es Adrian war.

Erschrocken versuchte sie, sich aus seinem Griff zu winden, was ihr schließlich auch gelang. Schnell schlüpfte sie aus der Tür, lief zu den Stallungen, wo sie ihr Pferd fand. Sie stieg auf und ritt im schnellen Galopp davon.

Doch die Begegnung ließ sie nicht los. Einige Tage später lag ein Brief in ihren Gemächern – von Adrian. Sie antwortete, und so begann ein heimlicher Briefwechsel. Immer wieder trafen sie sich, verborgen vor den Augen der Welt.

Aus den anfänglichen Feinden wurden Verbündete, aus Verbündeten Liebende. Und schließlich vereinten sich die beiden Königreiche zu einem großen, friedlichen Reich, das stärker war als je zuvor. Und wenn man heute durch den Wald reitet, in dem sich Isabella und Adrian zum ersten Mal begegneten, erzählt man sich noch von jenem Tag, an dem Mut und Liebe zwei Welten zusammenführten.


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