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Zwischen Glas und Licht

Alles war schwarz um mich herum. „Wo bin ich?“, hallte meine Frage in mir. „Was ist passiert?“ fragte ich mich. Keine einzige Erinnerung. Nichts. Gar nichts. Alles dunkel. 

„Hey, du, was machst du da auf dem Boden?“, hörte ich eine Stimme in der Ferne. Doch ich kannte sie nicht. Ich hatte Angst, meine Augen zu öffnen, ich hatte Angst vor dem Ort, ich hatte Angst vor allem.

„Komm, mach deine Augen auf, es ist okay, Angst zu haben.“ Die Stimme kam näher und näher, bis ich das Gefühl hatte, dass die Person vor mir stand. Ich hatte Angst. Doch irgendwie hatte ich das Gefühl, dass es okay ist, die Augen zu öffnen. Ich spürte auch eine angenehme Wärme. Vielleicht sollte ich wirklich meine Augen aufmachen.

Ich öffnete sie langsam. Nach und nach wurde es heller, immer heller und heller. Ich hatte das Gefühl, geblendet zu werden. Als sich meine Augen an das Licht gewöhnt hatten, sah ich endlich, wer vor mir stand: ein junges Mädchen. Sie lächelte mich an und reichte mir ihre Hand.

Ich stand auf. Das Mädchen war fast einen ganzen Kopf kleiner als ich. „Hier ist es schön, oder?“ sagte sie mit der wärmsten Stimme. Ich nickte nur. Sie zeigte auf eine Bank und ging hin. Ich folgte ihr. Doch das Gehen hier war seltsam. Es fühlte sich an, als ob ich mich auf einer Trampolin bewegen würde.

Als wir auf der Bank saßen, war es still zwischen uns, aber nicht diese unangenehme Stille, sondern eine angenehme, vertraute stille. Als ob ich sie schon mein ganzes Leben lang gekannt hätte. Ich liebte es hier. Doch die Frage, die ich mir immer noch stellte, war: Wo sind wir hier?

Als ob sie meine Gedanken lesen könnte, sagte das Mädchen: „Wir sind an einem schönen Ort. Nur für dich ist dieser Ort noch zu früh. Du solltest nicht hier sein.“ Ich verstand gar nichts. Was meinte sie?

Ich stand auf, weil meine Panik zurückkam. Ich schaute mich um – nichts außer Weiß. Was ging hier vor? Was war passiert, dass ich hier war? Und wer war sie eigentlich? Wer bin ich? Ich wollte schreien, doch es ging nicht.

Ich schaute auf meine Hände, sie waren irgendwie durchsichtig, wie transparent. Ich konnte durch sie hindurchsehen. Ich schaute das Mädchen an. Sie winkte mir nur mit einem Lächeln zu und sagte: „Ich beobachte dich von hier oben. Du wirst niemals alleine sein, auch wenn du denkst, du bist es.“

Auf einmal hörte ich es knacken. Es hörte sich an wie Glas. Ich sah nach unten. Es war Glas unter mir. Es brach immer mehr auseinander, immer mehr Risse, immer mehr Glas fiel nach unten. Ich machte einen Schritt zurück und das Glas brach unter mir.

Ich fiel und fiel lange. Zu lange. Ich wartete nur auf den Aufprall auf dem Boden. Doch der kam nicht. Alles war wieder schwarz. Doch diesmal spürte ich keine Wärme. Alles war kalt.

Ich hörte nur Stimmen. Mehrere Stimmen. Eine sagte: „Wir haben sie wieder zurück, sie lebt wieder.“

Dann erinnerte ich mich wieder: das blaue Auto, der Zebrastreifen, die grüne Ampel. Mich hatte ein Auto angefahren. Ich war tot. Das war der Himmel. Bin ich jetzt wieder zurück? War das eine Nahtoderfahrung?

Ich überlebte diesen Tag. Doch auch Jahre später fragte ich mich, wenn ich alleine war: Wer war das Mädchen und Treff ich sie jemals wieder


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