Ein geschlossener Raum, es war alles dunkel, da war eine Tür, vier hohe Wände und ein Holzboden - der erfreulicherweise ganz frisch roch. Die Möbelstücke waren weder kantig noch aus harten Materialien. Ich erkannte weitere Dinge in diesem Raum: ein flauschiger Teppich und ein Sofa, welches komplett aus Polstern bestand. Da fiel mir auf, dass hier weder ein Fenster noch eine Glaswand oder gar eine Kamera war. Ich hatte ein Gefühl von Sicherheit – obwohl ich allein in einem dunklen Raum stand. All das Glas, die Bildschirme, die Augen der Menschen – Nichts!
Nachdem ich erstmal eine Weile auf dem Sofa herumlag, eine Ruhe empfand, die ich so noch nie in meinem Leben verspürt habe, und mir bewusst wurde, wie sicher ich mich hier drin fühlte, stand ich auf. Ich stand auf und sah mich erneut im Raum um. Ein geschlossener Raum, alles dunkel, eine Tür, vier hohe Wände – warte – eine Tür! Ich ging hin und drückte den Griff nach unten. Doch sie war verschlossen. Ich sah mich um und entdeckte das kleine Schild rechts neben der Tür. Zwei Worte, zwölf Buchstaben: „Gläserne Welt“. Ich betrachtete das Schild und sah mich noch ein drittes Mal genauer im Raum um: Es stimmt: da war kein einziges Stück Glas in diesem Raum. Das musste wohl heißen, ich war in einem Raum, in dem mich niemand sehen konnte. In dem ich nicht kontrolliert wurde. Geheimnisse bewahren konnte. Doch warum? Und wieso?
Bei genauerem Hinschauen sah ich oben auf dem Rahmen des Schildes einen kleinen Schlüssel liegen. Nach kurzem überlegen, was wohl hinter der Tür sein mag, öffnete ich sie. Im selben Moment traf mich ein so heller Lichtstrahl, dass ich die Augen schließen musste. Als ich sie wieder öffnete erstarrte ich für ein paar Sekunden. Der komplette Raum bestand aus Glas. Doch anders als erwartet war da weder eine Kamera noch Menschen. Doch Halt. Da kommt Jemand. Ich erstarrte und bewegte mich keinen Zentimeter. Meine Augen folgten der Person, die immer weiter auf mich zukam. Aber was war das? Sie wich der Glasfront nicht aus! Sie ging einfach weiter. Und dann war sie weg. Ich löste mich aus meiner Starre und ging zur Glaswand, immer näher, und berührte sie. Und genau im selben Augenblick tauchten auf einmal Menschen auf. Von allen Richtungen strömten sie auf mich zu, an mir vorbei, weg von mir. Ich sah dem Geschehen aufmerksam zu, bis ich die Idee hatte, mich bemerkbar zu machen. Ich grüßte laut, winkte, hüpfte. Doch niemand schien mich zu sehen.
Ich setzte mich also hin und beobachtete. Und da fiel mir etwas auf. Sie alle sahen so aus als hätten sie Angst, verfolgt zu werden. Niemand grüßte, und vor allem: Keiner von ihnen sah glücklich aus. Die einzigen, die ich sah mit einem sorgenfreien Gesichtsausdruck und einem Lachen waren Kinder. Diejenigen, ohne Handy, Kopfhörer oder sonst irgendwelchen Geräten. Und jedes Mal, wenn ich eines sah, freute ich mich. Sie tollten vor mir herum und schienen in einer ganz anderen Welt zu sein als all die anderen Menschen. Warum waren wir Menschen so? Warum genossen wir das Leben nicht einfach?
Und da wurde mir etwas bewusst: Wir werden viel zu sehr davon beeinflusst, wie uns andere Menschen sehen. Wir leben wie in einer Auslage: Alles aus Glas, alles durchsichtig, kontrolliert, keine Geheimnisse, keine Privatsphäre.
Ich beschloss, aufzustehen und wieder in den gemütlichen Raum zurückzugehen. Um all die traurigen und bösen Blicke nicht mehr mitansehen zu müssen. Ich trat hinein und schloss die Tür.
Piep-Piep-Piep. Mein Wecker. Ich öffnete die Augen und sah mich um: Es war alles wie immer – mein riesiges Fenster – mit Blick auf die Berge, mein Bett, mein Schreibtisch. Alles da. Ich setzte mich auf und dachte nach was gerade passiert war. Ich hatte einen Traum! Ich hatte das alles geträumt! Doch in dem Moment, als ich – wie jeden Morgen- stöhnend auf den Wecker schlagen und mich umdrehen und weiterschlafen wollte, dachte ich zurück an den Traum: Warum nicht einfach mal entscheiden, dass ich heute glücklich bin?