Stell dir vor, die ganze Welt wäre aus Glas. In dieser Welt könnte man nichts verbergen, besonders nicht, was man fühlt. Denn jedes Gefühl hat hier eine Farbe. Ein neues Geschenk von deinen Eltern bekommen? Die Freude könnte man dir ansehen, denn sie strahlt gelb.
Es wäre schön, denkst du vielleicht, weil niemand mehr lügen könnte. Keine Maske, kein falsches Lächeln. Alles, was man fühlt, würde sichtbar. Doch dann stell dir vor: Dein Gesicht strahlt rosa, wegen deiner heimlichen Liebe. Alle Augen wären auf dich gerichtet. Und dein Geheimnis wäre nicht mehr deines.
Manchmal würde das Glas schwer sein. Deine Angst würde wie grauer Nebel zittern. Deine Scham wie ein schweres braun auf dir liegen. Und es gäbe keinen Ort, um dich zu verstecken. Durch dein gläsernes Haus wäre deine Angst immer zu sehen.
Vielleicht würden wir lernen, Gefühle zu verstehen. Nicht nur unsere eigenen, sondern auch die, fremder Personen. Vielleicht gäbe es weniger Streit, weil man sofort sehe, wenn jemand verletzt ist. Vielleicht mehr Mut, weil man spüre, dass man nicht allein ist auf der Welt.
Doch vielleicht wäre es zu viel. Denn wer hält es aus, wenn jeder Gedanke, jede Angst, jede kleine Unsicherheit wie ein Licht im Glas sichtbar würde? Vielleicht ist es gut, dass wir manches im Dunkeln tragen dürfen. Dass wir selbst entscheiden, wann wir leuchten.
Eine Welt aus Glas wäre ein Traum, hell und zerbrechlich, schillernd und schwer. Und vielleicht ist unsere echte Welt auch gar nicht so weit davon entfernt. Denn manchmal reicht ein ehrlicher Blick, ein offenes Wort, und plötzlich fühlt es sich an, als hätte jemand das Glas zwischen uns durchsichtig gemacht.