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Tagebuch des Marionettenspielers

Tag 1 – Mittag  

Bin ich verrückt? Vielleicht. Aber was bedeutet schon Verrücktheit in einer Welt, die so verdorben ist? Ich schreibe meine Gedanken in dieses Buch, weil ich weiß: Niemand würde mir glauben. Niemand… außer vielleicht mein einziger Freund. Er vertraut mir blind. Er denkt, ich sei seine Rettung. Dabei wird er am Ende nur mein letztes Opfer sein.

Ich habe Angst vor dem, was kommt. Angst – und zugleich Freude. Ich werde viele Menschen töten. Ich werde meinen Freund verraten. Und warum? Weil es mir gefällt. Töten… Verraten… das macht mein Herz lebendig.

Idee für eine Rede vor meiner Frau, der Blutsaugerin

„Meine Geliebte… hör mir zu. Weißt du, wie sehr ich dich liebe? Jedes Mal, wenn ich dich sehe, spüre ich Wärme. Dein Lächeln, dein Atem – alles scheint mich zu fesseln.

Aber dann… dann kommen die anderen Gedanken. Dunkle Gedanken. Manchmal will ich dir die Kehle aufschlitzen, will dein Blut sehen, will dein Leben auslöschen.

Und doch – jedes Mal halte ich inne. Weißt du, warum? Weil ich dich brauche. Nicht wegen deiner Schönheit, nicht wegen deiner verdorbenen Seele. Nein… nur wegen deines Vaters.

Ja, des Imperators! Jedes Mal, wenn ich dich berührte, stellte ich mir vor, wie ich ihn in deinem Blut ertränke. Jedes Mal, wenn ich ein Messer hielt, musste ich mich zurückhalten, nicht laut loszulachen.

Du bist nicht mein Schatz. Du bist mein Werkzeug. Mein Schlüssel.

ICH HASSE DICH! Hörst du?! ICH HASSE DICH!!! Aber ich kann dich nicht gehen lassen, nicht mit dieser Wahrheit. Du wirst sterben – hier, jetzt – genau so, wie ich es will!“

Tag 2 – Früh am Morgen

Es ist herrlich, neben ihrer Leiche zu erwachen. Ihr kalter Körper, ihr Schweigen, ihr stiller Gehorsam – endlich so, wie ich es immer wollte. Jeder Tag beginnt mit einem Traum, einem Traum aus Tod und Stille.

Tag 3 – Nacht

Heute Nacht tanzte ich im Regen. Unter mir tausend Leichen, das Wasser vermischt mit Blut. Jeder Tropfen war ein Kuss, jede Pfütze ein Spiegel meines Triumphs. Ich lachte, ich sang, ich drehte mich auf Knochen wie ein König auf einem Ball. Bald – bald wird dieser Traum Wirklichkeit.

Tag 3 – Abend

Morgen ist es so weit. Meine alte, vom Krieg gezeichnete Rüstung liegt bereit, noch immer getränkt vom Blut vergangener Schlachten. Sie wird mein Symbol sein. Morgen stelle ich mich mit meinen Männern gegen den Imperator.

Idee für eine Rede vor den Soldaten am Knochenturm

„Kameraden! Schaut euch an! Ihr seid Soldaten, stark und stolz – und doch werdet ihr von diesem Imperator behandelt wie Hunde an der Kette!

Er sitzt in seinem Palast aus Gold, während ihr euer Blut im Dreck vergießt. Er feiert, während ihr hungert. Er herrscht, während ihr leidet.

Fragt euch: Ist das Gerechtigkeit? Ist das der Respekt, die ihr verdient?

NEIN! Ihr verdient mehr! Ihr verdient Freiheit, Stolz, ein Reich, das euch gehört!

Ich sage euch: Heute kämpfen wir nicht mehr in seinem Namen. Heute kämpfen wir in unserem!

Erhebt eure Schwerter, Brüder! Kämpft nicht für den Tyrannen – kämpft für das Volk! Kämpft für euch selbst!“

Tag 4 – Morgen

Nur noch ein Schritt trennt mich vom Ziel. Der Imperator glaubt, seine Tochter sei davongelaufen, welch köstlicher Irrtum. Er weiß nicht, dass sie längst neben mir in der Kälte schläft. Morgen wird er sterben. Morgen wird das Reich brennen.

Tag 4 – Nachmittag

Alles ist vorbereitet. Meine Marionetten tanzen, ihre Fäden sind fest in meinen Händen. Bald wird der Imperator zerbrechen wie Glas.

Und mein Freund? Mein einziger, der mir vertraut? Er denkt, er sei an meiner Seite, er denkt, er kämpfe für eine bessere Welt. Wie entzückend, wie naiv. Morgen wird er begreifen, dass auch er nur ein Spielstein war. Und wenn der Imperator gefallen ist… wird auch ihn das Zeitliche segnen.

Idee für eine Rede vor meinem einzigen Freund, der Herzogsknecht

„Endlich… endlich seht ihr, wer ich wirklich bin.

Ich habe nie für Freiheit gekämpft. Nie für Gerechtigkeit. All das war nur ein Spiel – und ihr wart meine Figuren.

Der Imperator? Er war nur der Erste, der fallen musste. Danach… gehört alles mir.

Und du… du wirst auf dem Thron sitzen, ja. Aber nicht als König. Sondern als meine Marionette.

Dein Mund wird sprechen, doch es werden meine Worte sein. Deine Hände werden herrschen, doch nach meinem Willen.

Ich bin die Dunkelheit hinter dem Vorhang – und bald wird dieses Reich in meinem Schatten versinken.“


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