Gläsernerwelt. Ein Name, der so klingt, als hätte jemand den Bruch der Wahrheit in ein Wort zwängen wollen. Ich halte den Preis in der Hand, ein leuchtendes Glasstück, kühl und glatt wie eine Wahrheit, und die man besser nicht zu sehr herankommen lässt. Sie behaupten, er stehe für Transparenz, für Durchscheinen der menschlichen Seele im Buche, aber was, wenn ich überhaupt nicht durchscheinen möchte?
Das Scheinwerferlicht brennt in meinen Augen. Ich lächle, denn so macht man das, wenn man ausgezeichnet wird. Dahinter braust Applaus, wie ein weit entfernter Regen, in dem ich nicht mehr gehört habe. Jemand ruft meinen Namen, bezeichnet mich als "Stimme unserer Zeit". Ich wiederhole mich, fragend, wessen Zeit das ist.
Ich erinnere mich an die Nächte, in denen ich schrieb nicht für Preise, nicht für Anerkennung, sondern um nicht zu verschwinden. Um mir selbst zu beweisen, dass Worte nicht tragen, wenn die Welt schweigt. Und jetzt? Jetzt halten sie meinen Text unter Glas, stellen sie aus wie Insekten in einer Vitrine. Bewundernd, aber unbeweglich.
Vielleicht ist das der Preis der Sichtbarkeit: Man wird gesehen, aber nicht mehr gehört.
Ich spüre, wie das Gewicht der Trophäe meine Finger nach unten zieht. Es sieht so leicht aus, so schwer, dass es sich in meiner Hand anfühlt. Glas, sagen sie. Sauber. Aber auch Glas kann schneiden, wenn man es zu fest klemmt.
Ich denke an die anderen Nominierten, ihre Gesichter, ihr stilles Nicken, das mehr Verständnis trägt als jeder Glückwunsch. Wir alle wollten etwas sagen, und keiner hat mich auserwählt, es ist stellvertretend zu tun. Als kann man das Unsagbare prämieren.
Der Saal wird langsam gefüllt, Worte hallen im Teppich. Nur noch die Klingeln der Gläser, das Lachen, die Höflichkeitsfloskeln. Ich stehe an der Seite, blicke in das Glas in meiner Hand und glaube für einen Moment hindurchzusehen auf mich selbst, kleiner als vermutet, unscharf im Licht.
Vielleicht ist das die Gläserwelt: Eine Welt, die alles transparent macht, bis man selbst durchsichtig ist.
Ich stelle den Preis auf den Tisch. Leichter Schlag, dumpfen Knall. Ein guter Riss breitet sich über das Glas aus, nicht sichtbar, aber gefühlt.
Ich lächle. Endlich ein bisschen Unklarheit.