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Mandarinen aus Glas

Nina Miklos

Ich mag keine Mandarinen, Sie sind unpraktisch zu schälen, entweder  

zu sauer oder zu süß, zu reif oder nicht reif genug, wer würde sich das

schon antun, so eine anstrengende Frucht, aber du hast es nie als das

empfunden.

Du hattest immer die perfekten Mandarinen bei dir.

Du hast nie ihre Art beklagt, weil es dir wert war, was du bekommen würdest,

wenn du nur geduldig bist. Geduldig in der Winter-stille auf deinen Bus warten,

geduldig mit einem Glass Wasser vor deiner Badezimmer Tür während der Duft

von Mandarinenschalen meine Nase verdreht und ich darauf warte das dein

Promille - Wert wieder sinkt.

Manchmal trifft es mich immer noch. Der Geruch wenn ich um 2 Uhr nachts an

einem Samstag auf meinem beheizten Badezimmer Boden liege in der Hoffnung

das wenn ich meine Augen zumache, ich dich sehen werde. Der Geruch nach dem

Weinen, nach dem Ausbluten aller Flüssigkeit aus meinem körper. Ein kalter,

melancholischer Geruch, so fremd und fern und doch so persönlich und vertraut.

Die Fliesen schreien deinen Namen und werden immer lauter während der Schnee

vor dem Fenster alles in stille ertränkt. Der Geruch trägt mich zurück in Nächte,

in denen die Luft in unseren Lungen brannte vor Kälte, in denen unsere Finger rot

leuchteten, die Handflächen schmerzten, und ich trotzdem hinausging, nur um die

zerbrechlichen Schneeflocken mit dir fallen zu sehen.

Flocken, die im schwachen Licht der Häuser tanzten und flimmerten, die Stille, die

alles in sich verschluckte, während meine weißen Blutzellen im Frost rot wurden.

Du hattest so viel Geduld und Ruhe in dir, eine Art von Geborgenheit, die man kaum

ein zweites Mal findet. Eine art von unschuld so weit vom sexuelle entfernt das es sich

rein angefühlt hat, es hat sich unverdorben und naiv angefühlt.

Wir hatten nicht viel, aber wir hatten uns. Wir hatten Herbst und Winter, wir hatten das

betrunkene Tanzen in den überfüllten Straßen der Stadt die uns taumelnd umarmten,

wir hatten den ersten Schneefall des Jahres, wie unsere Augen gleichzeitig die langsam

fallenden Eiskristalle betrachtet haben und alles Immer ruhiger wurde. Ich fühlte wie meine

weißen Blutzellen mit jeder Schneeflocke rot wurden, und dein warmes lächeln auf meinen

Lippen wenn wir uns geküsst haben.

Du verglichst mich mit den Sternen doch Sterne sind von Natur aus zum Explodieren verurteilt.

Vielleicht waren die Mandarinen nie das Problem, vielleicht war es meine Geduld, und

vielleicht war es die Angst zu sehen was in deinem inneren gewesen wäre wenn alles

zersplittert wäre.


KONTAKT info.literatur@ortweinschule.at

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