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Hinter Glas (2)

Pascal Schober

Ich wache auf, noch bevor der Wecker klingelt. Das Licht in meinem Zimmer geht automatisch an, und meine Uhr zeigt mir an, dass mein Puls in der Nacht unruhig war. „Vielleicht wegen Stress“, murmelt sie. Ich nicke, auch wenn sie mich nicht wirklich sieht. Oder vielleicht doch? Manchmal verliere ich den Überblick, wo das Beobachten aufhört, und das Leben beginnt. 

Als ich mein Handy entsperre, kommen mir die unendlichen Nachrichten entgegen, vom Vortag. „Guten Morgen, Pascal! Gestern hast du 7.867 Schritte gemacht.“ Ich scrolle durch die Nachrichten, Snaps und durch Insta. Alles scheint perfekt auf mich abgestimmt. Perfekt?

In der Schule reden alle über das neue „IOS“-Update. Angeblich kann es jetzt mit den neuen AirPods viele körperwerte messen. Ich frage mich, wann man überhaupt noch selbst merkt, was man fühlt.

Am Nachmittag sitze ich im Bus und schaue aus dem Fenster. Ein Mädchen lächelt in ihr Apple Watch, wahrscheinlich spricht sie mit jemandem, aber ich sehe keine AirPods. Ich frage mich, ob sie wirklich lacht oder ob das System ihr sagt, dass sie es tun soll.

Plötzlich bemerke ich, dass mein Spiegelbild in der Scheibe mich anstarrt, als wäre ich jemand anderes. Ich bin da, aber irgendwie auch nicht. Alles, was ich bin, existiert in Fotos, Nachrichten, meine Stimme, mein Gesicht. Ich könnte morgen verschwinden, und trotzdem würde es mich weitergeben in Form von Daten.

Am Abend sitze ich vor dem Spiegel. Ich halte meine Hand gegen das Glas und sehe sie doppelt, in echt und digital. Und plötzlich wünsche ich mir, dass einer von uns verschwindet.

Ich lösche ein paar Apps. Die nur kleinen Schritte. Der Bildschirm wird leerer, und irgendwie fühlt sich das richtig an.


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