„Manchmal habe ich das Gefühl, dass mich alle sehen und trotzdem keiner wirklich hinsieht.“
Es ist 02:15 Uhr und das blaue Licht meines Handys macht mein Gesicht zu einer Geistermaske. Ich liege im Bett, scrolle durch Stories von Menschen, die gerade schlafen sollten. Alle lachen. Alle reisen. Alle leben. Nur ich liege hier, mit meinem Herzschlag im Takt der Benachrichtigungen.
„Du bist online,“ steht da.
Ich weiß.
Ich bin immer online.
Aber irgendwie nie da.
Früher war mein Handy einfach nur ein Gerät. Jetzt ist es mein zweites Ich. Eins, das nie müde ist, nie traurig aussieht und immer weiß, was es sagen soll. Manchmal habe ich das Gefühl, ich rede mehr mit meinem Profil als mit echten Menschen. Ich poste, ich antworte, ich existiere.
Mein Daumen bewegt sich wie automatisch, als wär das Wischen längst kein Wollen mehr, sondern ein Reflex. Ein bisschen wie Atmen, nur flacher. Jede Bewegung zeigt mir, was ich nicht habe oder was ich sein sollte. Perfektes Licht, perfekte Haut, perfekte Welt. So klar, so gläsern, dass ich mich selbst darin verliere.
Gestern habe ich ein Foto gelöscht. Nicht, weil es schlecht war. Sondern weil es echt war. Kein Filter, kein Winkel, kein Versuch, besser zu wirken, als ich bin. Ich hab´s mir angeschaut und gedacht: Das bin ich. Und das ist zu viel. Zu ehrlich für eine Welt, die alles sehen will, aber nichts wirklich erträgt.
Manchmal stelle ich mir vor, wie es wäre, wenn das Glas einfach zerspringt. Wenn der Bildschirm Risse bekommt und die ganze glatte Welt einmal kurz echt aussieht. Nicht perfekt, nicht poliert, einfach nur menschlich. Vielleicht würde ich dann wieder atmen können.
Letzte Nacht habe ich das Handy auf Flugmodus gelassen. Erstmal seit… keine Ahnung, Jahren vielleicht. Die Stille war laut. Ich habe mein Fenster geöffnet und den Regen gehört. Kein Algorithmus, kein Echo. Nur ich. Und plötzlich war da dieses Gefühl, das ich fast vergessen hatte. Freiheit