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Das Labor (2)

Hannah Url

„Guten Morgen, Testpersonen. Begeben Sie sich aus Ihren Einheiten und finden Sie sich im Hauptraum ein.“, ertönte die Computerstimme wie jeden Morgen aus den Lautsprechern des „Salvis Mundi“ Labors. Jenes Labor, das für die letzten zwei Wochen das Gesprächsthema Nummer Eins in jedem Nachrichtenportal war… und mein Zuhause. Obwohl, Zuhause konnte man es nicht wirklich nennen.  

Vor zwei Wochen hatte die Regierung die grandiose Idee, einen Versuch zu starten, um das Böse im Menschen zu analysieren und gänzlich auszulöschen, damit die Welt besser wird. 12 Testpersonen, darunter meine Wenigkeit, wurden ausgelost und eingesperrt. Laut der Regierung sei es nicht so schlimm, uns wie Marionetten zu behandeln, aber das sehe ich ganz anders. Jeden Morgen werden wir von dieser grässlichen Computerstimme geweckt, die uns dazu auffordert, in den Hauptraum zu gehen, wo sich die einzelnen Laborkabinen befinden. Wie immer gehe ich diesem Befehl nach, warum auch immer, und begebe mich in meine Kabine. Jede Testperson hat eine eigene, die auf ihre individuellen Gesundheitsstandards ausgelegt ist.

Zwei Wärter binden mich an die Liege fest und schließen mich an das Gerät an. Ich hasse dieses Gerät, davon bekomme ich immer Kopfschmerzen und mir wird schlecht. Sie sagen, es sei dafür da, die Hirnstimulationen, oder so irgendetwas, zu messen. Wie immer taucht die Kameralinse vor meinem Auge auf, die uns tagtäglich begleitet. Beim Schlafen, Essen und natürlich bei den Tests. Ich weiß nicht, was daran so interessant sein soll, uns leiden zu sehen, uns wie in einem Schaufenster zu beobachten. Wenn ich ehrlich zu mir bin, wirkt es so, als wäre ich die einzige Person hier, die sich unwohl fühlt. Ich möchte endlich raus hier, in mein eigenes Bett und zu meiner Familie. „Achtung! Testperson sieben zeigt emotionale Schwingungen.“, höre ich gedämpft von meiner linken Seite. Natürlich, emotionale Schwingungen sind ja so etwas schlimmes. Nur weil ich an etwas Schönes, was mich traurig macht, denke, sehen sie es schon als etwas Böses an. Ich möchte ausbrechen, irgendwie, aber dafür brauche ich die Hilfe der anderen. Ich habe es schon einmal angesprochen, aber sie haben mich alle blöd angeschaut und gefragt, warum ich hier denn wegwolle, da es hier ja so wundervoll ist. Keine Ahnung was den anderen untergemischt wurde, aber das sind ganz sicher nicht mehr die gleichen Personen, wie vor zwei Wochen…

… „Piep,piep,piep“, hörte ich, als ich aufwachte. Mein Kopf dröhnte und ich verspürte einen stechenden Schmerz in meinem linken Bein. Als ich runter sah, bemerkte ich die tiefe Wunde, die sich quer über mein Bein zog, und aus dem Blut quellte. Als ich mich umsah, bemerkte ich die Menschen, die rund um mich reglos auf dem Boden lagen. Bei genauerem Hinsehen erkannte ich darunter die Ärzte und Wärter, die mich zuvor behandelten. Was ist hier passiert? 

 Ein rotes Licht an der Tür lenkte meine Aufmerksamkeit von den Leichen ab, als ich dumpfe Schreie von draußen hörte. Ich stand auf und rannte zur Tür. Als ich sie aufzog, sah ich ein Massaker von Menschen am Boden liegen. Ich zögerte nicht lange und rannte in Richtung Ausgang. Ich weiß nicht was hier geschehen ist, aber das ist meine Chance dem Irrsinn zu entfliehen. Kurz bevor ich vor dem Ausgang war, traten mir auf einmal elf Personen gegenüber. Die anderen Testpersonen. Voller Blut und mit einem irren Lächeln. Das Letzte, was ich mitbekam, war, wie sie auf mich zuliefen und zu Boden schmissen.

Anstatt die Welt besser zu machen, indem die Regierung das Böse zu verbannen versuchte, erreichten sie das genaue Gegenteil.

Die gläserne und ach so wertvolle Welt zersprang an diesem Tag in tausend Teile.


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