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Beobachtet

Vanessa Höfler

Leni liebte die Bequemlichkeit ihrer kleinen Wohnung. Mit einem Fingertipp ging da Licht  

an, der Kühlschrank bestellt automatisch Lebensmittel nach, und ihr Terminkalender

erinnerte sie pünktlich an jedes Treffen. Alles funktioniert reibungslos, doch manchmal

überkam sie ein seltsames Gefühl, als würde jemand unsichtbares über ihre Schultern

blicken.

Eines Abends, als sie müde von der Arbeit nach Hause kam, bemerkte sie, dass der

Bildschirm ihres Computers schon eingeschaltet war. Auf der Startseite leuchtete eine

Anzeige mit dem Songtitel eines Liedes, welches ihr den ganzen Tag nicht aus dem Kopf

ging, ohne es je gesucht zu haben. Ein Schauer lief ihr über den Rücken.

Am nächsten Tag sprach sie mit ihrer Freundin darüber, sie lachte und erklärte, dass

dies völlig normal sei. „Das System kennt dich besser, als du dich selbst kennst“, sagte

sie. Leni verstand, doch das Gefühl der Fremdheit ließ nicht nach.

Als sie am späteren Abend heimging, lauschte sie den Autos, den Tieren, der Welt. Alles

war perfekt organisiert dachte sie sich, jedes Detail ihres Lebens schien im Griff.

Trotzdem fragte sie sich, ob sie noch diejenige war, die die Entscheidungen traf, oder ob

längst etwas anderes die unsichtbaren Fäden zog.


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