[Ein Glas Rum – F. Kafka] mit Cola hilft zwar nicht gegen den Weltschmerz, aber gegen die Einsamkeit Anfang zwanzig um halb vier. Wenn die einen Freunde in andere Städte ziehen, während die anderen plötzlich TikTok-Influencer werden, fühlt man sich oft, als wäre man am Weg liegengeblieben. Wie der alte VW Polo, den man zum L17 geschenkt bekommen hat. [Ich will Immos, ich will Dollars – N. Chuba] und wissen, wo dieses Leben hingeht, wenn man erst mal weiß, was man will. Auf Social Media reden alle nur mehr von Selbstfindung, aber ich finde in mir selbst nur überdurchschnittliche Enttäuschung. Enttäuschung darüber, dass meine Generation die erste sein wird, die den Klimawandel nicht mehr stoppen kann; und darüber, dass das den meisten Menschen egal ist. Vielleicht bin ich auch ein bisschen enttäuscht darüber, dass wir schon über 2,5 Millionen Jahre lang dabei versagt haben, eine funktionierende Gesellschaft zu gründen. Eine, in der niemand vor Hunger sterben muss, während ein anderer seinen Burger wegen zu wenig Mayo in den Müll wirft. Wenn man so etwas öffentlich sagt, heißt es, man sei ein Träumer. Fairerweise: Fast alle Revolutionäre wurden anfangs so genannt – nur bin ich sicher keiner von ihnen. Das haben mir schon meine Grundschullehrer beigebracht. Einmal zu oft einen Elefanten statt ein Alpha ins Matheheft gemalt – und die Revolutionärskarriere war vorbei. Ganz zu schweigen von den peinlichen Facebook-Posts, die man mit 14 hochgeladen hat – unwissend, dass sie später Thema in jedem Bewerbungsgespräch sein würden. Die digitale Welt ist eine gläserne. Jeder kann alles sehen und alles zeigen. Oft hat sie nichts mehr mit der Realität zu tun. In anderen Momenten zeigt sie uns so viel davon, dass wir uns wünschen, es wäre alles nur fake. Der Einzige, der sich wirklich darin zurechtfindet, ist Chat GPT. Vielleicht fragen ihn deshalb so viele um Rat, weil sie hoffen, dass uns die KI endlich die Lösung für all das geben kann, was uns bis jetzt zu kompliziert war. Fragt man ihn nach der Lösung für die Weltprobleme, sagt er: „Stell das Gemeinsame über das Eigene.“ Mir zumindest gibt er diese Antwort, weil er weiß, dass ich genau das hören will, und damit liegt er nicht ganz falsch. (Gruselig!) Irgendjemand anderem würde er vielleicht sagen, dass Labubus die Lösung aller Probleme sind. [Man schwimmt mit dem Strom, weil es bequemer ist – T. Fontane] und Chat GPT rechnet damit die Wahrscheinlichkeit aus, welche Antwort dir am besten gefällt. Während er die gleiche Menge Energie frisst wie ein Toaster, der versucht, den Mount Everest zu rösten. Er schreibt, rechnet, kopiert; und irgendwo am anderen Ende der Stadt weint ein Solarpanel. Wenn ich mir die Entwicklung des hinterfragenden Menschen nach Kant zum alles fragenden Menschen, abhängig von KI, ansehe, kommt mir die Angst, dass Hawking recht hatte und wir in 100 Jahren nur mehr vor den Trümmern dieser fragilen Welt stehen werden. Angesichts der fortschreitenden Medizin sollte ich wohl langsam einen Krisenplan für ein Ende ohne Datum schmieden. Plants vs. Zombies, Zombies vs. KI – niemand weiß, wie es einmal passieren wird. Das macht mir noch viel mehr Angst. [Ich habe die Angst, und sie hat mich - F. Kafka] Deshalb hebe ich mein Glas auf bessere Zeiten. Nehme noch einen Schluck. Und noch einen. Frage Chat GPT, nach wie vielen Stunden Ausnüchterung ich wieder Auto fahren darf. Er sagt, es dauere sechs Stunden. „Verdammt“, murmele ich. Um zehn stecke ich also wieder im Stau zwischen Teslas und Klimaklebern. „Noch einen“, rufe ich über die Theke, scrolle auf Instagram weiter. „Robert, I don’t like this rock – it’s pissing me off“, ein nackter Halbwurmmensch am Lagerfeuer, dicht gefolgt von Videos mit Heidi Klum am Oktoberfest, Enten, Katzenbabys, ein Tanga von Kylie Jenner und Lisa Pauline Wagner am Poetry Slam: [„Und auch wenn’s manch einer gern vergisst, wer sich da festklebt, ist kein Terrorist. Wer da klebt, ist meist ein Kind, Kinder, die zu Recht verzweifelt sind.“ – L.P. Wagner]